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Familie Mustermann im Lockdown – Marie (41)

Familie Mustermann im Lockdown

Marie (41)
Ich heiße Marie Mustermann, habe drei Kinder und weiß nicht mehr, wie ich das mit diesem ewigen Lockdown noch schaffen soll. Seit Wochen schon hocken wir alle hier aufeinanander und machen „Homeoffice“ oder „Homeschooling“. Ich wundere mich schon, warum es noch nicht den Begriff „Home-Kindergardening“ gibt.
Weil mein Mann Moritz das Wohnzimmer in Beschlag genommen hat, sitze ich mit meinem Bürozeug in der Küche und arbeite. Naja, zumindest versuche ich das. Aber andauernd kommt eine von meinen zwei Töchtern und will irgendwas von mir. Ich bin dann oft gereizt und meckere sie an. Das tut mir später wieder leid, weil ich ja weiß, dass es für die Mädchen auch nicht leicht ist.
Maike ist jetzt in der fünften Klasse und muss aufpassen, dass sie den Anschluss nicht verpasst. Und die ganzen Fragen, die sie zu ihren „Homeschooling“-Aufgaben hat, muss ich ihr dann beantworten. Aber ich bin doch auch keine Pädagogin! Die Lehrer haben es jetzt schön, stellen ein paar Übungen in die Cloud, die sie oft nicht mal kontrollieren. Wir Eltern stehen dann mit dem Kram allein da.
Und den Herrn Vater darf ich ja mit sowas Primitivem wie den Schulaufgaben seiner Tochter nicht belästigen, der Herr Vater hat ja ach so viel zu tun mit seinen ganzen Videokonferenzen und seiner Programmiererei. Als IT-Mitarbeiter ist er ja viel wichtiger als ich in der Verwaltung. So möchte ich es auch mal haben: Tür zu und dann bitte nicht stören!
Ich weiß, dass Maike einsam ist ohne ihre Freundinnen. Sie möchte gern wieder in die Schule, obwohl sie da in den letzten Wochen vor dem Lockdown fast jeden Abend Kopfschmerzen hatte wegen der Maske, die sie die ganze Zeit tragen musste. Deswegen hatte ich ja sogar noch die Kinderärztin angerufen, aber sie stellt keine Maskenbefreiungen aus. Angeblich findet sie das Maskentragen ja richtig als Infektionsschutz. Ich weiß nicht, ob das stimmt oder ob sie nur Angst hat, angezickt zu werden. Sie hatte mir empfohlen, mit Maike zusammen ZDF Logo zu schauen, da wäre das mit den Masken schön erklärt. Wahrscheinlich wird da den Kindern wieder gesagt, mit was für schlimmen Krankheiten sie ihre Eltern und Großeltern anstecken, da verzichte ich lieber darauf.
Ganz schlimm ist es jetzt, wo der Kindergarten auch noch zugemacht hat. Merle, meiner Kleinen, ist jetzt immer langweilig. Wir anderen haben nun mal alle zu tun. Aber es tut mir in der Seele weh, sie so allein spielen zu sehen. Sie hat jetzt eine unsichtbare Freundin, die heißt Nele, so wie ihre echte Freundin, die sie nicht mehr besuchen darf, weil deren Eltern solche Angst vor dem Virus haben. Daran sehe ich, wie sehr der Kleinen Kontakt zu Gleichaltrigen fehlt. Trotzdem, wenn sie mich aus der Arbeit reißt, weil sie Hunger, Durst hat, mich fragt, wann denn die Oma kommt, ob ich bei Nele anrufen kann oder ob ich ihr eine Geschichte vorlese, dann bin ich einfach nur genervt.
Das mit meinen Eltern ist ja auch so ein Thema für sich. Moritz meint, ich soll mich nicht so haben und den Kindern den Kontakt mit meinen Eltern nicht verwehren. Aber die zählen mit Anfang 70 doch zur Risikogruppe und sind auch nicht mehr die Gesündesten. Klar tut es mir leid, wenn ich mit meiner Mutter telefoniere und sie mich fragt, ob wir sie nicht mal mit den Kindern besuchen kommen oder wenn sie sagt, dass sie uns gern besuchen würden. Aber dann werden sie noch angesteckt, weil einer von uns das Virus hat, ohne es zu merken und sterben!
Davon abgesehen weiß ich gar nicht, ob das erlaubt wäre. Ich blicke mit diesen ganzen Verboten nicht mehr durch. Aber meine Freundin Bettina musste vor Kurzem eine horrende Summe zahlen, weil sie zusammen mit ihrem Mann bei der Geburtstagsfeier ihrer Schwester war. Dabei waren da ansonsten nur deren Eltern und Schwiegereltern da. Irgendjemand hatte sie wohl angezeigt. Manche Nachbarn haben wahrscheinlich ansonsten nichts weiter zu tun, als die Leute rundum auszuspionieren.
Nur von Malte, meinem Großen, sehe und höre ich den ganzen Tag nichts, außer ich rufe ihn zum Essen. Aber auch dann sitzt er nur stumm rum und guckt grade weg. Ich müsste mal mit ihm reden, ich sehe ihm doch an, wie er leidet. Aber ich habe einfach nicht die Kraft. Was soll ich ihm denn auch sagen? „Ja, ich weiß auch nicht, wie du dich auf dein Abi vorbereiten sollst oder was für Perspektiven du jetzt in deinem Leben hast. Tut mir leid, aber ist leider nicht zu ändern.“?
Ich frage mich, wie das dann wird, wenn er sein Abi-Zeugnis kriegt. Ich weiß noch, dass wir damals, als ich das Abi gemacht habe, einen großen Ball hatten, wo uns die Mappen feierlich vom Direktor überreicht worden sind. Malte muss dann wahrscheinlich mit Maske ins Sekretariat und bekommt das Zeugnis von der Sekretärin auf den Schreibtisch geklatscht, nachdem sich beide die Hände desinfiziert haben. Oder wie läuft das ab?
Diese ganzen Rituale, mit denen das Ende eines Lebensabschnitts der Kinder gefeiert wird, sind doch auch wichtig! Das alles fällt jetzt einfach weg. Oder Klassenfahrten, gemeinsame Theaterbesuche, Schulfeiern – sorry, ersatzlos gestrichen. Was den Kindern damit genommen wird! Wenn ich darüber nachdenke, könnte ich heulen. Es sind doch meine Kinder, meine kostbarsten Schätze, denen gerade ihre Kindheit und Jugendzeit gestohlen wird!
Als ich mit Bettina das letzte Mal telefoniert habe – das ist mittlerweile auch schon wieder 2 Wochen her, es ist eben etwas anderes, ob man sich sieht oder nur an der Strippe hängt – da haben wir uns ausgemalt, dass wir zusammen mal eine große Gartenparty veranstalten werden, wenn alles wieder normal ist. Wir werden zig Freunde einladen, bergeweise Fleisch grillen, mindestens 10 Salate zubereiten und eine richtige 90er-Jahre-Fleiluftdisko veranstalten, mit Dr. Alban, Snap und so.
Das machen wir dann. Später, wenn alles wieder normal ist…

(K.G.)

 

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