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Die unsichtbaren Flutkatastrophenopfer

Der Über-Blick Engelflügel

Wir, die sogenannten „nicht betroffenen“ Flutgebietbewohner aus Bad Neuenahr Ahrweiler sind diejenigen, deren Häuser samt Mobiliar zwar noch stehen, aber deren Leben genauso auf dem Kopf steht, wie bei allen anderen Bewohner der Stadt.
Während wir voller Empathie und Hilfsbereitschaft für unsere Mitbürger da sind, plagen wir uns mit dem eigenen Leid. Das Gefühl von Ohnmacht und Hilflosigkeit und dass wir nicht ALLEN Menschen, die uns begegnen, helfen können, zermürbt uns ununterbrochen.
Auch wir wissen nicht, wie das Leben in einem intakten Haus mitten in diesem Chaos und ohne Versorgung mit den elementarsten Dingen weitergehen soll. Ganz zu schweigen von dem Leid unserer Mitbewohner, das wir täglich hautnah miterleben.
Die Dunstwolke des Entsetzens ist ebenso groß und verbreitet wie der giftige Schlamm, der mittlererweile als Pulver durch die Luft wirbelt und unsere Atemwege belastet.

Seit fast drei Wochen sind viele von uns mitten im Katastrophengebiet zuhause. Viele von uns ohne fließendes Wasser und/oder Strom und Internetverbindung.

Auf dem Sportplatz, auf dem wir fast täglich Bälle warfen, liegen Schutt und Schlamme und der dazugehörige Parkplatz dient jetzt als Großmüllhalde. Während wir eine Stunde oder länger für eine kurze Strecke durch unsere Stadt brauchen, schaut unser 6-jähriger Sohn aus dem Autofenster und hat Tränen in den Augen. Er kann es nicht fassen, dass er erstmal nicht mehr zum Lieblingsspielplatz oder zum Sportplatz darf. Es ist alles zerstört. Für die Kinder ein verstörender Anblick.
Als Eltern möchtest du nur das Beste für dein Kind und würdest ihm so gerne diesen Anblick ersparen. Aber das ist nun mal unser Wohnort, unser Zuhause und unser Alltag im Ausnahmezustand. Das ist zurzeit unser Leben!
Die Hubschrauber fliegen kreuz und quer über unsere Köpfe und die Martinshörner der Feuerwehren und Rettungswagen sind unsere Dauerbegleiter. Nachdem wir unsere Wasserreserven aus dem Regenfass und dem kleinen Plantschpool unseres Kindes für den täglichen Bedarf genutzt hatten und im Garten auf dem Lagerfeuer unsere wenigen Dosenfrassreserven aus dem Keller geplündert haben und nebenbei viele Stunden mitten im Tal bei unseren Nachbarn mit angepackt haben, ist auch bei uns die Grenze des erträglichen erreicht.

Während uns langsam die sauberen Kleider ausgehen, weil wir seit Wochen nicht waschen können, bedanken wir uns täglich beim Schöpfer, dass wir und unsere Tiere unversehrt geblieben sind. Denn auch im Außen erfahren wir keine tröstlicheren Worte als diese. Ach, ihr da oben am Neuenahrer Berg seid ja nicht betroffen! Hm….. ist das so? Sind wir nicht betroffen? Die Definition des Betroffen seins ist so unscharf. Jedenfalls versuchen wir täglich zu glauben, dass wir absolut gesegnet sind und keinerlei Grund zur Beschwerde haben.
Irgendwann hatten wir den Impuls diese Stadt zu verlassen und außerhalb des Katastrophengebiets in den Genuss einer warmen Dusche und Ruhe von Sirenen zu kommen. Einfach eine kurze Auszeit nehmen. Unsere Seele schonen, unsere Tränen loswerden und Kraft tanken, um einen klaren Kopf zu bekommen. Wir sind keine echten Einheimischen und sind wenig vernetzt innerhalb des Ahrtals. Onkel, Oma, Opa und die nette Tante von nebenan sind für uns nicht existent.
Also beschlossen wir nach dem Motto „selbst ist die Familie“, unsere Rucksäcke zu packen und zu fliehen. Ab nach Hennef in die Ferienwohnung. Hennef ist unweit von Bad Neuenahr und so können wir weiterhin das tägliche Füttern unserer Haustiere und Helfen vor Ort gewährleisten. Klar, so eine Ferienwohnung kostet Geld und auch wir als Kleinfamilie mit einem Gehalt müssen unsere finanziellen Ressourcen belasten, um uns diese Auszeit aus dem Katastrophengebiet gönnen zu können. Neben der sogenannten Auszeit ist da noch der Job, der auch via Homeoffice während Corona mit einem funktionierenden Internet bewältigt werden muss. Die ganzen kostenlosen Unterkünfte für die Flutkatastrophenopfer in denen man nur vorübergehend kostenlos wohnen darf, möchten wir für die obdachlosen Mitbürger unserer Stadt freilassen, damit sie nicht ohne Dach über dem Kopf bleiben. Ebenso Lebensmittel, die täglich hohen Benzinkosten fürs Pendeln zwischen unserem Wohnort und Ferienwohnung tragen wir aus der Haushaltskasse. Auch die Hilfegüter von außen möchten wir ausschließlich den „echten Katastrophenopfern“ unserer Stadt lassen, denn uns geht es ja „gut“ im weitesten Sinne.
Die in allen Medien angekündigten Sofort- und Schnellhilfen der Bundesregierung greifen auch keinesfalls für unsereins. Wenn man das Kleingedruckte, auf dem ach so großzügigen Antrag des Staates liest, stellt man fest – an uns hat da keiner gedacht. Und all die armen Senioren, Alleinerziehenden und übrigen Menschen, die von Grundsicherung oder minimaler Rente leben müssen und Dinge wie Waschmaschine, Trockner, Werkzeuge, Fahrzeug, Fahrrad oder sonstiges in der Flut verloren haben, weil sie im Keller oder Garage standen, benötigen finanzielle Unterstützung, die es derzeit faktisch nicht gibt.
Wir sind die unsichtbaren Betroffenen, für die keine finanzielle Unterstützung vorgesehen ist.
Wir bleiben in tiefster Verbundenheit mit unseren Mitbürgern, halten die Stellung, teilen und helfen so gut es geht und freuen uns, wenn wenigstens für sie staatliche Soforthilfen vorgesehen sind. Auch bleiben wir alle gespannt, wann und wie die Millionen an Spendengelder ohne Umwege die Betroffenen erreichen, und zwar ALLE!

Herzlichst
Marjam und Andreas, eine Familie aus Bad Neuenahr

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